KATHOLIKEN-KRISE
Holocaust-Leugner Williamson lehnt Widerruf vorerst ab
Der Papst hat ihn zum Widerruf aufgefordert, doch dazu ist er derzeit nicht bereit: Holocaust-Leugner Richard Williamson sagt dem SPIEGEL, er wolle zunächst die historischen Beweise prüfen - "das wird Zeit brauchen".
Hamburg/Berlin - Er hat die katholische Kirche in eine tiefe Krise gestürzt - und wird zu deren Lösung vorerst nicht beitragen. Der umstrittene Bischof der Piusbruderschaft, Richard Williamson, will seine Thesen zum Holocaust vorerst nicht widerrufen. Er werde zunächst die historischen Beweise prüfen, sagte der Katholik dem SPIEGEL: "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen."
REUTERS
Katholischer Holocaust-Leugner Williamson: Er will erst Beweise prüfen
Williamson war kürzlich zusammen mit drei anderen exkommunizierten Bischöfen der Pius-Brüderschaft wieder von Papst Benedikt XVI in die katholische Kirche aufgenommen worden. Von der Holocaust-Leugnung Williamsons will der Papst dabei nicht gewusst haben.
Kritisch steht der Bischof auch zu den universellen Menschenrechten: "Wo die Menschenrechte als eine objektive Ordnung verstanden werden, die der Staat durchsetzen soll, da kommt es immer zu einer antichristlichen Politik." Mit Blick auf die Priesterbruderschaft sagte Williamson, er wolle "unter keinen Umständen die Kirche und die Bruderschaft" weiter beschädigen.
SPIEGEL WISSEN: DER PAPST UND DIE PIUSBRUDERSCHAFT
Der
Papst ist das Oberhaupt der
römisch- katholischen Kirche und des Staates
Vatikanstadt. Als Völkerrechtssubjekt wird das Kirchenoberhaupt
Heiliger Stuhl genannt. Zur Leitung und Verwaltung der Kirche sind dem Papst verschiedene kirchliche Behörden unterstellt, die zusammen die
römische Kurie bilden.
Der Papst wird im
Konklave, einer Versammlung von
Kardinälen, auf Lebenszeit gewählt – als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden.
Amtssitz des Papstes ist der Vatikan. Seit 1871 residiert er im
Apostolischen Palast neben dem
Petersdom.
Die wichtigste politische Einrichtung der
römischen Kurie ist das
Staatssekretariat, das die gesamte Tätigkeit der Kurie und der außenpolitischen Beziehungen des
Heiligen Stuhls koordiniert. Es ist in zwei Abteilungen – eine Art Innen- und ein Außenministerium – gegliedert. Beide leitet der
Kardinalstaatssekretär – derzeit
Tarcisio Bertone. Er wird vom Papst eingesetzt.
Die höchsten Verwaltungsbehörden sind die
neun Kurienkongregationen, die nach Sachgebieten gegliedert sind – so gibt es eine für die Glaubenslehre, eine für Gottesdienst und die Sakramente, eine für die Ostkirchen, eine für die Mission etc.
Zur Kurie gehören auch drei Gerichtshöfe für katholisches Kirchenrecht: der
Oberste Gerichtshof der Apostolischen Signatur, die
Apostolische Pönitentiarie und die
Rota Romana.
Außerdem setzt der Heilige Stuhl
Päpstliche Räte ein, die keine Regierungsfunktion haben, sondern der Information und der Kontaktpflege auf verschiedenen Gebieten dienen. So befasst sich ein Päpstlicher Rat mit den Laien, einer mit der Einheit der Christen, der Interpretation von Gesetzestexten usw.
Ämter der Kurie sind die
Apostolische Kammer, die
Vermögensverwaltung des Heiligen Stuhls und die
Präfektur für die Wirtschaftsangelegenheiten des Heiligen Stuhls.
Mit der römischen Kurie verbunden sind verschiedene Institutionen, darunter das
Vatikanische Archiv, die
Vatikanische Bibliothek und
Radio Vatikan.
Die
Piusbruderschaft ist eine der bedeutenderen Abspaltungen der
katholischen Kirche. Sie wurde 1970 von dem konservativen und später exkommunizierten Erzbischof
Marcel Lefebvre gegründet und lehnt ab, zentrale Beschlüsse des
Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen: Sie verweigert sich gegen die Anpassung an die moderne Welt, weshalb die Piusbrüder ihre Messen bis heute auf Latein lesen, und lehnt
Religionsfreiheit und
Ökumene ab. Nach jahrelangem Streit mit Rom kam es 1988 zum
Schisma.
Papst Johannes Paul II. exkommunizierte den Gründer Lefebvre und vier weitere Bischöfe. Im Januar hob
Papst Benedikt XVI. die
Exkommunikation auf.
Indem
Papst Benedikt XVI. die Piusbrüder zurück in den Schoß der katholischen Kirche aufnahm, geriet er selbst unter Antisemitismusverdacht.
Besonders belastet wurde die Beziehung zwischen Vatikan und jüdischen Organisationen jedoch durch einen Ausspruch des britischen Piusbruders Bischof
Richard Williamson: Er hatte in einem TV-Interview den
Holocaust und die Existenz von
Gaskammern geleugnet.
Die Pius-Gemeinschaft hat am Freitag einen Priester ausgeschlossen, der ebenfalls den Holocaust geleugnet hatte. Der katholischen Kirche laufen Insidern zufolge wegen der Turbulenzen um die umstrittene Pius-Bruderschaft vermehrt die Mitglieder weg. "Die Austrittswelle hat bereits eingesetzt", sagte der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Eberhard von Gemmingen.